Stefan Koldehoff ist bekannt dafür, detektivisch Werkbiografien aufzudecken: 23 Publikations-Ergebnisse von ihm weist die Deutsche Nationalbibliothek vor. Jetzt zeichnet er – teils unglaublich komplizierte – Fälle verschwundener, wieder auftauchender Kunstwerke oder auch Fälschungen in dem Deutschlandfunk-Podcast „Tatort Kunst“ mit Rahel Klein nach.
Neben der Detektivarbeit wird im Podcast stark deutlich, was Kunstwerke bei Menschen auslösen, welche Motivationen welche Käufe begründen, warum Kunst verboten, vernichtet, gestohlen, gefälscht wurde und wird – und warum Kunst so unglaublich hohe Preise auf dem (Zweit-)Markt erzielt.

Die lebendig inszenierten Podcastfolgen laden die Hörer:innen ein, die Fälle in kriminalistischer Manier mitzuverfolgen. Durch die eingespielten Originaltöne lernen wir die einzelnen Beteiligten (w/m) kennen: Händler und Auktionatoren, Provenienz- und Sammlungsforscherinnen, Museumsdirektoren, (Auslands-) Korrespondentinnen, Privatpersonen, ja, selbst Verstorbene, wenn frühere Originalbriefe verlesen werden.
Im Fall des „Doppelten Macke“ (Link mit Bildmaterial!) recherchiert das Deutschlandfunkteam direkt auch, als einen Baustein, beim ‚Meisterfälscher‘ Wolfgang Beltracchi und bittet diesen um seine Einschätzung.
Insbesonders in der Doppelfolge „Zwei Kisten in Prag“ (Link mit Bildmaterial) kommt zum Ausdruck, welchen immateriellen Wert die Kunstwerke für den einstigen Sammler hatte – und für seine Familie noch immer hat.
Der Weg der Privatsammlung wird professionell – frei von Spekulationen – nachgezeichnet, sofern Puzzleteile fehlen, wird dies benannt: Wann hat Hans Dittmayer aus welchen Gründen bei wem welches Werk gekauft, wann ist ihm wie gelungen, Kunstwerke zu verstecken, und wohin ist die Familie schließlich geflohen? Das Kriegsende erleben Hans und Stephanie Dittmayer mit ihren drei Kindern Wolfram, Klaus und Irene auf tschechischem Territorium. Hans Dittmayer stirbt Anfang 1946 und die Familie wird ausgewiesen: Wo leben sie nach ihrer Rückkehr in Deutschland – und welche Versuche unternehmen sie, die verlorenen Kunstwerke wiederzufinden?
Zwei Holzkisten, die im damaligen Dittmayerschen Firmenstandort Prag untergebracht wurden, enthielten aufgerollte Leinwände von rund 40 wertvollen Ölgemälden expressionistischer Künstler wie Max Beckmann, Lyonel Feininger, Otto Dix und mit dabei Oskar Kokoschkas „Frau mit dem Sklaven“. Letzteres taucht 2023 in einer Auktion in Prag auf, wo der Ruf bei zirka 8 Millionen Euro liegt. …Und wird zum Auslöser der „Tatort Kunst“-Episode.
Wie wird bei NS-Verfolgten mit solchem Verlust umgegangen? Bei der Beantwortung darf natürlich Prof. Dr. Gilbert Lupfer vom Deutschen Zentrum für Kulturgutverluste nicht fehlen.
Wer nach dem Podcasthören noch Lust auf weitere kurzweilige Essays von Stefan Koldehoff hat, dem empfehle ich „Ich und van Gogh. Bilder, Sammler und ihre abenteuerlichen Geschichten“ (2015, Verlag Galiani Berlin).

Text: Jana Noritsch Bureau verso
Bilder: Deutschlandfunk | Verlag Galiani Berlin
