„BUNKER – Realer Raum der Geschichte“ heißt die noch bis 6. Oktober laufende Ausstellung von Andreas Mühe. Durch seine Installation bietet der Künstler einen neuen Gedanken- und Handlungsraum und vor allem eine heftige Reibefläche. Alles ist gut, alles kippt jedoch mit der Preisliste für die „Artikel“ Kuschel-Bunker. Jetzt wird es leider perfide, mindestens pietätlos, im friedlichen Deutschland, wo unweit entfernt Bunker tatsächliche Schutzräume sind und noch näher von Reaktivierungen gesprochen wird.

Viele Künstler:innen haben sich mit den unzerstörbaren Bunkern beschäftigt; einige davon zeigt die Ausstellung im Raum neben der Hauptausstellung: Joachim Bandau (Bleistiftzeichnungen und geometrische Skulpturen aus Blei), Hubert Kiecol (Fotografien von Skulpturen 1980/84), Wilhelm Klotzek und Konrad Mühe (Betondruck), Tobias Kruse, Göksu Baysal (Fotografien einer Bunkerwehranlage in der Türkei und ihrer heutigen Nutzung), Erasmus Schröter (Fotografien bunt angestrahlter Bunker des Atlantikwalls). Zitate und Fotografien von Paul Virilio1 dürfen bei dem Thema nicht fehlen.
Die nach vielen Jahren Atlantik-Urlaub entstandene Arbeit von Andreas Mühe, wobei ihn Paul Virilios Beschäftigung mit Bunkern in den Siebzigerjahren begleitete, ist nachvollziehbar. Und wohl lange vor den Kriegsgeschehnissen in der Ukraine und Israel/Palästina geplant. Auch die Transformation der Bunker in Kuscheltiere und ihre Inszenierung im – ausgerechnet – ehemaligen, von Hitler gebauten Bildhaueratelier von Arno Breker zeugt von einer anspruchsvollen künstlerischen Haltung: „Ein Bunker ist groß, schwer, kalt, unzerstörbar, ein Monolith, sakrales Relikt der Geschichte“, erklärt Mühe. „Das diametral Entgegengesetzte ist, den Bunker zu verkleinern, ihn weich und kuschelig zu machen. Das war mein Grundgedanke.“

Elf Typen historischer Bunkerbauten hat Andreas Mühe bei der traditionsreichen Spielzeugmanufaktur in Bad Kösen (Käthe Kruse Puppen) im recht handlichen Maßstab fertigen lassen. Das größte der Kuscheltiere entspricht dem Berliner Hochbunker, der zu DDR-Zeiten als Bananenbunker2 bezeichnete, heutige Boros-Bunker (Boros Collection, Reinhardtstraße 20, 10117 Berlin).
Vorlage für den kleinsten Spielzeugbunker war eine für ein bis höchstens zwei Personen ausgelegte Splitterschutzzelle, und auch die französischen Wallbunker wurden nachgebildet. („Madame Bunker“ und „Mr. Bunker“ sind mir gänzlich unverständlich, nebenbei gesagt.)
Selbst wenn ich Theorien und Ausführungen zur „Haptik in der Kunst“3 bemühe, bleibt es pures Merchandising:

Und sinnlich einschmeicheln wollen wir uns, jedoch nicht in brutalen „realen Raum der Geschichte“? Einmann-Bunker, vornehmlich als Splitterschutzzellen (SSZ) bezeichnet, sollten Schutz vor Splittern durch Bombenexplosionen oder Beschuss mit leichten Feuerwaffen bieten. Die SSZ waren nicht darauf ausgelegt, einen Volltreffer zu überstehen, auch vor Gas schützten sie nicht. Historische Berichte belegen, dass Insassen bei Treffern umkamen oder schwer verletzt wurden.

Während des Zweiten Weltkrieges wurden im Deutschen Reich Zehntausende Einmannbunker aufgestellt; wem es möglich war, der konnte sich auch einen auf sein Privatgelände liefern lassen.
In Mühes Ausstellung sind neben dem Foto aus dem Stadtarchiv Münster Fotografien platziert, die – analog zu den drei Kunststoff-Objekten in der Hauptinstallation (rosafarben, hellgrün und hellblau) – Spielplatz-Geräte der DDR-Architektur zitieren:

Etwas heikel, da im ersten Moment der Eindruck entsteht, es wurden für die Fertigung der DDR-Spielplatzelemente die Gussformen der kleinen Bunker verwendet. (Geschrieben steht: „Mit deren Form korrespondieren die Nachgüsse von DDR-Spielplatzelementen […].)
Da ich mittlerweile alle Presseberichte zur Ausstellung gelesen habe: Andreas Mühe soll Martina Hafner4 Folgendes gesagt haben: „(Mühe erklärt:) „Beide Formen von Bunkern sind aus zwei Diktaturen, jetzt kommen sie hier in einem Bunkermeer zusammen. Kinder können darin herumtoben, sie werden ihre eigene Inszenierung daraus machen.““
Das Spielplatzgerät war kein Bunker! Und diese Ausstellung ist – glaube ich ganz fest – nicht für Kinder. Diese können natürlich darin spielen, verstehen ja aber den Sinn des „Kunstobjekts“ oder der „Kunstinstallation“ nicht. Im Gespräch mit dem Künstler Matthias Moseke wurde eine ganz gegenläufige Empfindung kommuniziert: „Ich habe das nicht als kuschelig oder einladend empfunden, sondern eher als abstoßend. Ich sehe hier weder einen Spielplatz noch einen Ort für Kinder, sondern eine künstlerische Installation zu einem bleischwerem Thema.“
Ich bin (auch) 1979er Jahrgang, Ost-Berlin, und kenne diese Spielplätze, nachstehende Empfindung des Paramilitärischen hatte ich als Kind nie: „Diese Elemente waren zwar spielerisch zu nutzen, brachten aber doch unverhohlen einen paramilitärischen Zug zum Ausdruck.“ (zitiert von der Tafel mit den Bilddaten).
Der Pressemitteilung ist zu entnehmen: dass sich Andreas Mühe erinnert, auf gleichartigen Spielplatzelementen selbst geklettert zu sein: »Man konnte sich im Inneren vor der Welt verstecken oder wagemutig hinaufklettern. In ihrem Design waren sie keinem Stil, keiner Ideologie zuzuordnen. Von der Kita wurde ich zwei Mal die Woche zur Leichtathletik abgeholt – vom Staat so vorgeschrieben. Heute blicke ich auf das Klettergerüst und erstaune, wie sehr es einem Bunker ähnelt. Erziehung, Spiel und Sport zum Sieg!« Erscheint mir etwas überzogen bzw. konstruiert. Ehrlich gesagt, haben mich diese Spielplatzgeräte immer an riesige Schoko-Schaumküsse erinnert.
Dann aber passt natürlich auch die direkt daneben kuratierte Fotografie von Barbara Klemm! „Den Drill zu Leistung und Aufopferung im Kindesalter thematisiert“ (Bildtafel) eine ihrer Arbeiten. Ein erschreckendes Bild! „Darauf abgebildet ist ein kleiner, ängstlicher Junge, gedrillt an den Ringen über einer Schaumstoffgrube im Sportraum der Leipziger Hochschule für Körperkultur (DHfK).“, schrieb Ingeborg Ruthe5 Mühe: „Das könnte auch ich gewesen sein!“ … Barbara Klemm selbst äußerte sich wie folgt zu ihrer Aufnahme: „In Leipzig waren wir auch im Hochleistungszentrum für Sportler; dort habe ich 1970 ein Mädchen an den Ringen aufgenommen.“ (Hier findet sich auch die Fotografie.)

Paul Virilio schrieb: „Wenn man die zur Hälfte vergrabene Masse eines Bunkers mit seinen verstopften Belüftungsanlagen und dem schmalen Schlitz des Beobachtungspostens betrachtet, dann schaut man in einen Spiegel und gewahrt das Spiegelbild unserer eigenen Todesmacht, unserer eigenen Destruktivität, das Spiegelbild der Kriegsindustrie.“
Krieg ist kein Spiel.
Zum 80. Jahrestag des D-Day, am 6. Juni 2024, eröffnete die Ausstellung im Kunsthaus Dahlem. Ein Kommentar von Andreas Kilb (FAZ) war: „Zum Glück bleibt der Anblick den Veteranen des D-Days erspart, zu dessen achtzigstem Jubiläum die Installation eröffnete, denn ihre Erfahrung mit den Betonbauten, aus denen sie mit 8,8-Zentimeter-Geschützen und Maschinengewehren beschossen wurden, war eine ganz andere, tödliche.“6 Sicherlich zählen die damals vom Krieg Betroffenen nicht zu den Besucher:innen der Ausstellung. Aber in der Ukraine und in Palästina flüchten täglich mehrmals Menschen in Bunker, um sich zu schützen. So sehr ich den Friedensgedanken „Wir sollten heute keine Bunker mehr brauchen!“ schätze, so hätte diese Schau möglicherweise noch in der Schublade bleiben sollen. Sowohl in Kriegsgebieten wie auch hierzulande oder bspw. in der Schweiz, wo man darüber nachdenkt, Bunker zu reaktivieren, haben leider (!) wieder den Schutz-Charakter. So schmerzhaft es ist, müssen wir diese Themen gegenwartsbezogen denken. Und nicht perfide aus Kuscheltier-Bunkern Profit schlagen wollen. Dies erscheint mir doch zu ignorant.
Bekannt geworden ist Andreas Mühe durch sein Projekt „Mischpoche“, für die er die toten Mitglieder seiner berühmten Familie als Wachsfiguren auferstehen ließ, durch politisch aufgeladene Serien wie „Obersalzberg“, eine inszenierte „Deutschlandreise“ mit Angela Merkel und 2020 mit seiner Serie obskurer Bildgestalten namenloser „Ersthelfer-Bio-Roboter“, diesen nahezu vergessenen, unzähligen Opferhelden der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl 1986.
Am Freitag, den 13. September, eröffnet 12 bis 22 Uhr eine Ausstellung mit Werken von Andreas Mühe in der Galerie Bastian: Hier wird er ganz neue Arbeiten zeigen, die uns mit Ansichten von Räumen, die Ausgangs- und Endpunkte radikaler politischer Aktionen und Gewalttaten der RAF und NSU waren, konfrontiert. http://www.bastian-gallery.com Taylorstraße 1 in 14195 Berlin

Kunsthaus Dahlem
„BUNKER – Realer Raum der Geschichte“ bis 6. Oktober
Käuzchensteig 12 in 14195 Berlin
https://kunsthaus-dahlem.de/ausstellung/a-m-bunker/
(Text/Fotos: Jana Noritsch)
- Entnommen: „Bunkerarchäologie“ 1975 ↩︎
- Spätestens ab 1951 diente der Bunker als Textillager und wurde ab 1957 als Lagerraum für Trocken- und Südfrüchte aus Kuba durch den Volkseigenen Betrieb Obst Gemüse Speisekartoffeln genutzt. Die Bevölkerung nannte das Gebäude daher „Bananenbunker“. Für diese Verwendung wurden an der Gebäuderückseite zusätzliche Öffnungen eingebracht. Im Krieg: Nationalsozialistische Behörden ließen ihn 1943 durch Zwangsarbeiter für bis zu 2500 Reisende der Reichsbahn errichten. Der Bau wurde 1942 von Karl Bonatz, dem jüngeren Bruder von Paul Bonatz entworfen. Der symmetrische und quadratische Bau hat eine Höhe von 18 Metern und 1000 m² Grundfläche. Die bis zu drei Meter dicken Wände aus Stahlbeton umfassen etwa 120 Räume auf fünf Etagen die für die Aufnahme von 2000 Menschen konzipiert waren. Anfang Mai 1945 besetzte die Rote Armee den Bunker. Das Nachbarhaus und vermutlich auch den Bunker nutzte bis Dezember 1949 der sowjetische Geheimdienst NKWD als Untersuchungsgefängnis. Beide Gebäude übernahm 1950 das Ministerium für Staatssicherheit der DDR. Eine Weiternutzung des Bunkers als Gefängnis ist nicht erwiesen. ↩︎
- Beispielsweise den wunderbaren Text von Marta Smolińska: „Haptische Redefinitionen der Subjektivität: Rebecca Horn und die Sinne der Propriozeption und des Gleichgewichts“ ↩︎
- B.Z. 6. Juni 2024 „Spielplatz der Kuschelbunker“ ↩︎
- Berliner Zeitung am Wochenende, Ingeborg Ruthe, 8./9. Juni 2024 ↩︎
- Frankfurter Allgemeine Zeitung, Andreas Kilb „Brutalität in Plüsch“, 20. Juni 2024 ↩︎
