Bis zum 5. Januar 2025 läuft noch die empfehlenswerte Ausstellung von Martin Assig in der St. Matthäus Kirche Berlin, neben der Neuen Nationalgalerie: Er gibt Antworten, derer Fragen tief in unserem Ich wurzeln. Und von denen wir vielleicht gar nicht wussten.
Farben, Material, Hängung (!) und solche Texte in den Bildwerken Martin Assigs machen die Ausstellung1 so sehenswert: „Ich wollte Wärme. Ich wollte dabei sein. Ich wollte Bilder. Ich wollte dich lieben. Ich wollte keine Angst haben. Ich wollte dich küssen. Ich wollte hier bleiben. …“


Martin Assig hat seine Gründe für diese ganz existenziellen Aussagen in seinen Bildern, aber auch ohne dies genauer zu wissen, berühren sie etwas sehr Grundlegendes in unser aller Leben: Gesundheit und Liebe brauchen wir, alles andere ist da.

Die Einleitung zur Ausstellung wirft folgende Fragen auf: Was ist der Mensch? Wie viel hält er aus? Was kann er tragen? In seiner neuen Ausstellung »Gottweißwo« beschäftigt sich der Berliner Künstler Martin Assig mit dem vielfach herausgeforderten Menschen unserer Zeit.
Klaus-Peter Busse schrieb zu Assigs großer Ausstellung im Museum Küppersmühle: „Wer etwas sehen will, was man noch nie wahrgenommen hat, wer Bilder anschauen möchte, die überraschen, wer sich für Aufregendes in der Kunst interessiert und wer sich in ein unbekanntes Gebiet vom Malerei und Zeichnung begeben will [..] Martin Assig zeigt den Besuchern und Besucherinnen einen Weg in seine Welt der Verarbeitung von persönlichen Erfahrungen und seiner Wahrnehmung der Wirklichkeit. Die Ausstellung zeigt die Arbeit eines Künstlers, der in sich hinein horcht und das Echo dieses Lauschens zeichnet und malt, „weil ich Mensch bin“, wie Assig selbst sagt und wie er seine Ausstellung nennt. Die Bilder von Martin Assig zu sehen: Als ob man Gedichte mit den Augen abtastet. Viele Bilder will man sogar berühren, weil sie reizvolle Oberflächen haben. Der Kunsthistoriker Wolfgang Ulrich spricht in seinem Katalogbeitrag von den „Verschleierungen“, die Martin Assig um seine Bilder herum aufbaut, die auf ihre Entkleidung durch die Betrachter und Betrachterinnen warten. Diese Verschleierungen sind verdichtete Zeichen für Gegenstandserfahrungen, Lebenszustände, Schmerzempfindungen und Befreiungen aus Zuständen von Angst und Furcht. Martin Assig spricht offen über seine Krankheit, die ihn bis an den Rand seines Lebens brachte. Das alles ist keine leichte Kost, aber bekleidet in betörend schöne Bilder, als ob die Kunst heilen könnte. Das „Rezeptionsglück“, über das Wolfgang Ulrich schreibt, ist nicht, die Bilder sofort verstehen zu können, sondern der Weg, ihren Spuren zu folgen, sich auf die Suche nach dem zu machen, was in ihnen verborgen ist.“2
Martin Assig (*1959 in Schwelm/NRW) arbeitet (Berlin und im Havelland) in der Technik der Enkaustik, ebenso mit Tempera, Acryl, Wachs- und Pastellkreiden, Wasserfarben, Farb- und Bleistiften. Eine Retrospektive wurde 2022/23 im Museum Küppersmühle mit rund 400 Arbeiten in zehn Themenkomplexen realisiert: Auraautoren, Erzählung am Boden, Kleid, Schmerz, Seelen, St. Paul, Tuschen, Übungen zur Verwunderung, Wasser und Vorrat. Welt. „Die St. Paul-Zeichnungen [hier #118] sind eine tour de force. Die Arbeiten changieren zwischen ihrem unmittelbar erfahrbaren stofflichen Reichtum und ihrer sinnlichen Qualität sowie einer Reflektionsebene, in der das überaus reichhaltige Netzwerk verschiedener bildnerischer Traditionen aufscheint, aus dem der Künstler schöpft, ohne seine eigene Identität zu verlieren und aus dem er seine eigenen Rituale […] praktiziert, deren nachvollziehende Betrachtung eine enorme spirituelle Bereicherung bringen kann […].“ (Kay Heymer: Die fantastischen Gebete des Martin Assig, 2013)
Eugen Blume hielt die Rede anlässlich der Ausstellungseröffnung von Martin Assig »Gottweißwo« in der Kirche St. Matthäus am 12.09.2024, 19:00 Uhr, die hier nachzulesen ist: https://stiftung-stmatthaeus.de/wp-content/uploads/2024/09/Eugen-Blume_Einfuehrungsrede_Ausstellungseroeffnung_Martin-Assig_Gottweisswo.pdf?x94104
Tipp: Werke von Martin Assig sind in Hamburg bei Holger Priess und in Berlin bei der Galerie Volker Diehl zu finden.
Im Charlottenburger Antonymen Salon hängt in der aktuellen Ausstellung „Die Welt beginnt mit einem Ja“ ebenfalls ein Werk aus dem St.-Paul-Zyklus: https://www.derantonymesalon.com/2024

Fotos/Text: Jana Noritsch
Edit/ Nachtrag: Am 17. April eröffnet die Gruppenausstellung AUFTAKT mit Arbeiten von Martin Assig, Biene Feld, Uwe Kowski, Marc Mulders, Thomas Müller, Lucy Teasdale u.a. in der Galerie Born (bis 15. Juni 2025), Eröffnung: Donnerstag, 17. April 16 – 19 Uhr
